Langenhorner Rundschau, Mai 2023

Bürgerbeteiligung??

Das Bezirksamt hatte zum 28.3.23 zur Entgegennahme des „Rahmenplans“ für das geplante Baugebiet „Diekmoor“ eingeladen. Obwohl die Einbringung des Rahmenplanes in die Bezirksgremien noch aussteht, nannte der Bezirksamtsleiter, Herr Werner Boelz dies dennoch ein Abschlussforum. Die Notwendigkeit zum Bauen sei durch den angespannten Wohnungsmarkt begründet. Der Bezirk musste 900 Geflüchtete integrieren. Die Fläche sei bereits im bezirklichen Wohnungsbauprogramm 2012 als Potentialfläche für Wohnungsbau ausgewiesen, wurde seitdem mehrmals von der Bezirksversammlung bestätigt und ist in städtischer Hand. 60 % der 700 dort geplanten Wohneinheiten sollen öffentlich gefördert werden (30 % Sozialwohnungen, 30% preisvergünstigte Mietwohnungen). Mangels anderer Flächen sei er dazu gezwungen, dort bauen zu lassen. Die Bürgerbeteiligung sei erfolgreich durch die Zufallsbeteiligung mit einem repräsentativen Querschnitt gelungen:

„Der Rahmenplan Diekmoor ist unter intensiver Beteiligung von Bürger:innen, Kleingärtner:innen, Einrichtungen und Interessierten aus dem Stadtteil erarbeitet worden. Hierfür wurde ein Beteiligungsprozess aus verschiedenen Beteiligungsformaten gestartet: öffentliche Veranstaltungen (Foren), Werkstätten und Online-Beteiligungsphasen“ [gemäß bezirklicher Internetseite].

Der Rahmenplan ist vom Bezirksamt mit Unterstützung der Firmen Frank, Bierbaum-Aichele und Planquadrat entwickelt worden. Angeblich aus der Bürgerbeteiligungsmehrheit für Variante B. Ich sage deshalb angeblich, weil: die anderen beiden Varianten eine Bebauung bis zum See (vom Bezirk: Regen-Rückhaltebecken genannt, obwohl keine Auffanghöhe für Regen besteht) und eine größere Flächenversiegelung durch Bebauung vorsahen. Das wirkte für jeden Betrachter sofort abstoßend. So war das wohl auch vom Amt vorgesehen gewesen.

In der Werkstatt 2 von möglichen 50 Mitwirkenden waren nur 10 Klebepunkte bei Variante B (also waren 20 % dafür, 80 % aufgrund von Nichtanwesenheit oder anderer Meinung nicht dafür). Bei einer offenen digitalen on-line Bürgerbeteiligung mit weiteren 115 Teilnehmern haben nur 9 (in Worten Neun!) Beteiligte diese Variante B ausgewählt. 55 äußerten Kritik oder Ablehnung; 42 formulierten weder Zustimmung noch Ablehnung. Das ist doch eine eindeutige Ohrfeige für die Planer: 19 von rd. 140 „Beteiligten“. Viele Anregungen aus der Werkstatt betrafen die Geschäfte und den Gemeinschaftsplatz. Es wurden zum Teil Gebäudehöhen abgefragt, die 1 Tag vorher schon vorgeschlagen waren (4-5 Geschosse + 2 Hochpunkte mit 7-8 Geschossen). Ergebnisoffene Beteiligung sieht anders aus. Eine höhere Verdichtung ermöglicht Freiräume für Grün. Dann sollen lt. Anregung aus der Werkstatt Gemeinschafts-Kleingärten“ geschaffen werden (wofür bisherige Kleingärten platt gemacht werden müssen). Die Flächen waren aber schon vorher in der Variante B enthalten und festgelegt….
Die wichtigen Gutachten standen am Freitag bei dem Informationsabend und selbst zum Sonnabend (24.9.22) dem Zeitpunkt der 2. Werkstatt nicht zur Verfügung und wurden am Montag erst ins bezirkliche Netz gestellt. Wie kann dann eine effektive Bürgerbeteiligung erfolgen, wenn umfangreichere Informationen zurückgehalten wurden – und gerade die entscheidenden?

Der Eingriff in den Landschaftsraum (weit überwiegend ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet) wurde nicht erwähnt. Dass dort sich eine spezielle Flora und Fauna angesiedelt hat… spielt keine Rolle. Die von der Verwaltung beauftragtenFachgutachten haben nichts Schützenswertes gefunden. Man hat zugegeben, bei einigen Gutachten nur Zwischenstände zu haben: „Ersteinschätzungen“, davon aber vermutlich nur die für die Bebauung positiven Umstände kommuniziert.

Eine genaue Untersuchung des sehr anerkannten Biologen Micha Dudek soll aber viele seltene und geschützte Arten festgestellt haben: Waldkauz, Bluthänfling, Erdkröte, Teichmolch, Bergmolch, Kammmolch und weitere Vogel-, Amphibien- und Fledermausarten. Außerdem wird die Vernetzung der Biotope entlang der Bornbachachse sowie zum Raakmoor quer durch Langenhorn durch eine Bebauung sehr gestört. Dadurch ist die EU-Richtlinie Fauna-Flora-Habitat (Sichern der Lebensräume für wildlebende Arten) berührt. Der Gutachter der Verwaltung hat die Kleingärten und andere eingezäunte Flächen nie betreten – macht aber eine Aussage für das ganze Gebiet??

Die ökologisch wichtigen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen (Grundwasserhaushalt, Versickerung [Grundwasserspende?], Schwammstadt, Feuchtbiotope, Kaltluftschneise, Niederschlagsplanung Bornbach…) konnten nicht groß diskutiert werden, da auf Zwischenstände verwiesen wurde. Vermutlich ist nichts vorgesehen („weiterer Untersuchungsbedarf“). Man wartet auf das, was die Behörde für Umwelt, Klima, Energie, und Agrarwirtschaft (BUKEA) später plant. Das ist dann aber nicht mehr realisierbar, wenn das Gelände verplant und bebaut ist. Dabei soll in dem Urstromtal des Bornbaches gebaut werden. Riesige Gletscher (1 km hoch im Permokarbon, letzte Saale-Eiszeit nur 300 m) hatten einst das Hamburger Gebiet geformt. Mäandernde Ströme haben Sandaufhäufungen (Mellenberg [Volksdorf], Heidberg, Diekmoor/Wördenmoorweg, aber auch Sandablagerung bis 10m tief unter dem Müllberg/Hummelsee bis Wilstedt…) oder Täler und Seen geschaffen. Die Seen sind verlandet zu Mooren, die für Langenhorn typisch sind: Foßberger Moor, Kiwittsmoor, Tweeltenmoor, Hattsmoor, Raakmoor, Diekmoor, Wördenmoor, Ohlmoor, Rothsteinsmoor…). So kann es sein, dass durch die mäandernden Ströme 10m weiter die Bodenbeschaffenheit eine ganz andere ist und einige Gebäude absacken. Ob an den in Variante B angedachten Stellen für Hochhäuser auch wirklich tragfähiger Boden sich befindet? Durch Ausschachtarbeiten wird leicht der Grundwasserspiegel abgesenkt und die Resttorfschichten werden entwässert, CO2 freigesetzt….

Eine richtige Diskussion der verschiedenen Einzelfragen kam nicht zustande. Es durfte eine Frage gestellt werden, die dann beantwortet wurde mit allgemeinen Statements zum vorliegenden „Test-Entwurf“ – oder mit dem Verweis auf die vorliegenden Gutachten, die die Wenigsten kannten, oder mit dem Hinweis auf die Beteiligung später im Rahmen des Bebauungsplanes. Alle kritischen Bemerkungen perlten an den Referenten ab. Nur Positives wurde hervorgehoben. Nachteile ignoriert. Ist das Beteiligung?

Weiter bewegt mich die Planung einer Quartiersgarage, die nur für 20% der Wohnungen einen Parkplatz vorsieht und noch einige wenige Stellplätze für die Geschäfte. Nur jede 5. Wohnung erhält einen Parkplatz. Zwar ist man direkt bei einer U-Bahn Haltestelle – aber jetzt zu planen, welcher Zustand in 50 Jahren sein könnte, hilft für die Zeit bis dahin nicht viel. Das ist eine utopische Vorwegnahme eines Wunschzustandes.

Anstelle des bestehenden und beliebten Naherholungsgebiets wird vorgesehen, geschützte Bereiche für Pflanzen und Tiere anzulegen und von störenden Fußgängern und Radfahrern freizuhalten. Dann sollte man lieber gleich das ganze Gebiet einzäunen – oder es so lassen wie es ist.

Neu war nun, dass die bebaute Fläche der SAGA in die Fläche für einen Bebauungsplan einbezogen wurde – ohne Wohneinheiten- oder Höhenbegrenzung. Die Gebäudehöhen darf die SAGA später bestimmen. In Bezug auf die Gültigkeit von Bebauungsplänen wurde von einem Frager darauf hingewiesen, dass in mehreren neuen Bebauungsplänen für einzelne Bauten durchaus weit mehr Geschosse genehmigt wurden, als im Bebauungsplan (Gesetz!) vorgeschrieben. Das kann also weder ein Rahmenplan noch der Bebauungsplan verhindern. Damit ist jetzt die jeweilige Gebäudehöhe variabel – je nach Ansicht des Senats oder des Oberbaudirektors. Weshalb macht man dann überhaupt noch einen Bebauungsplan, wenn hinterher (nicht nur für die SAGA) eine Geschosshöhenwahl für besondere Bauherrn besteht [u.a. ehem. Krankenhaus Ochsenzoll: 8 statt 4geschossig…]?

Eigenartig ist, dass nun der Rahmenplan, der Vorausvorgaben setzt, als „fertig“ gepriesen wird, obwohl er nicht vollständig mit Gutachten unterfüttert ist. Nun will man in die nächste Stufe eintreten mit einem „Städtebaulichen Wettbewerb“. Das ist herausgeschmissenes Geld, wenn durch Gerichte später festgestellt wird, dass dort nicht – oder nur zum Teil – gebaut werden darf/durfte.

Das ist ein ungrünes Vorhaben der Grünen (die SPD duckt sich weg): Bauen im Landschaftsschutzgebiet und radikales Plattmachen der vorhandenen Kleingärten (Wegfegen von Flora und Fauna), Versiegelung von Naturflächen, Verlust von Ressourcen, Biotopverlust mit hoher Artenvielfalt …. Die erforderlichen Ausgleichs- oder Ersatzflächen, -zig Kilometer von Hamburg entfernt, bieten für Hamburg keine breite Kaltluftschneise und für uns in Langenhorn keinen Ausgleich für eine verlorene, gewachsene Oase mit ökologisch wertvollem Artenreichtum.

Die grünen Herren (Bezirksamtsleiter und Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bezirk) hatten nach Schluss der Veranstaltung ein zufriedenes Siegerlächeln im Gesicht – vermutlich feierten sie sich, dass sie erfolgreich eine echte Beteiligung der Langenhorner verhindert haben. Eine Beteiligung bei den Werkstätten: begrenzt in der Zahl; nur für Zufallsbürger zugänglich, die mit Losentscheid ermittelt wurden; mit nur begrenzter Mitwirkungsmöglichkeit und wo die Presse ausgeschlossen war. Eine digitale Beteiligung, die nicht allen bekannt und möglich ist, entspricht nicht allgemeinen Ansprüchen auf wirkliche, offene Beteiligung. War eine „intensive Beteiligung von Bürger:innen, Kleingärtner:innen, Einrichtungen
und Interessierten aus dem Stadtteil“ (siehe Anfang) überhaupt gewollt?

Sie, lieber Leser, können gern – wenn Sie Zeit haben – auf oder hamburg.de/ hamburg-nord/in-planung/……./diekmoor…../ nachsehen, was dort alles an Gutachten vorliegt.

Euer Grünschnabel

2 Kommentare
  1. Calsow sagte:

    Gibt es Vorbereitungen, gegen das Vorhaben rechtlich vorzugehen? Ich befürchte SPD und Grüne werden ihre Pläne sonst rücksichtslos umsetzen.

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    • Oliver Hasse sagte:

      Wir teilen Ihre Befürchtungen und prüfen die Möglichkeiten, juristisch vorzugehen, können aus strategischen Gründen hier leider noch nicht ins Detail gehen. Parallel bereiten wir weiterhin die zweite Stufe der Volksinitiative RETTET HAMBURGS GRÜN – KLIMASCHUTZ JETZT! vor. Ziel ist der Schutz aller großflächigen Grün- und Landwirtschaftsflächen über einem Hektar (und damit auch das Diekmoor) vor Bebauung und Versiegelung, damit Klima und Natur geschützt werden. Wir freuen uns über alle Menschen, die die Volkinitiative unterstützen möchten, indem sie sich schon jetzt als Sammler bzw. Sammlerin registrieren: https://rettet-hamburgs-gruen.de/sammlerin-werden/

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