De Börner, Mai 2022

DIEKIE – King of Diekmoor – Teil 1

Eigentlich war alles wie immer. Eigentlich …

Ich hatte abends meine To-Do-Liste für den neuen Tag geschrieben (Regenwürmer in der Vorratskammer füttern, Fell bürsten, Krallen putzen) und mich dann in mein Bettchen gekuschelt.

Süße Gedanken gingen mir durch den Kopf, nachmittags war mir ein herrlicher Duft in die Nase gezogen, Duftschwaden waberten durch meine Gänge. In meiner Vorstellung sah ich ein kleines Maulwurfsmädchen mit dem schönsten schwarzen Pelz, den man sich vorstellen kann. Er glänzte wie Schellack. Ihre zarten Krällchen gruben sanft durch das lockere Erdreich, und ihr zartes Näschen erschnüffelte die besten Regenwürmer. War sie es, auf die ich so lange gewartet hatte? In meinen Gedanken taufte ich sie Maulfine.

Morgen würde ich mich auf die Suche nach ihr machen. Sie musste mich kennenlernen – mich, Dieckie, der „King of Diekmoor“.

Leider wurde ich unsanft aus meinen Träumen gerissen. Eine starke Erschütterung warf mich aus meinem Bett. Jedes Haar in meinem Pelz spürte die Vibration der Erde. Ich kannte rumsen und schaben über meinem Kopf, schließlich wohne ich in einem Schrebergarten, und die Gärtner lassen sich die tollsten Sachen einfallen, um mich zu unterhalten.

Doch dieser Morgen war anders. Die Vibrationen wurden immer stärker, und ich beschloss, meinen Nordgang zu nehmen, um dem Krach zu entkommen. Es wurde lauter und lauter. Ich konnte gar nicht so schnell krabbeln, der Lärm schien mich zu verfolgen. So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Ein Anflug
von Angst überkam mich, und ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten. Mein Herz klopfte schneller, und ich versuchte, schneller zu krabbeln. Aber da – es rieselte Erde von der Decke. Das bremste mich aus, und es war klar, dass ich dieses Rennen nicht gewinnen kann. So sehr ich mich auch  abmühte, der Lärm verfolgte mich. Ich glaubte, ewig zu krabbeln, um die nächste Gabelung zu erreichen. Dort hatte ich doch gestern Abend noch einen schönen Erdhaufen aufgeworfen.

Getrieben von Angst und Krach erreichte ich die Kreuzung. Was war das? Wo gestern noch mein Erdhaufen war, klaffte nun ein Loch, und ich konnte Helligkeit erkennen. Nun stieg Panik in mir auf. Wo sollte ich hin?

Ich steckte vorsichtig die Nase aus dem Loch, und schon packte mich etwas und zog mich aus der Erde. Voller Angst fing ich an zu strampeln und versuchte, mich zu befreien. Schnell war mir klar, wie aussichtslos das war. Ich spürte aber auch, wie etwas meinen Pelz glattstrich, und ich hatte das Gefühl, in einer kleinen Höhle zu hocken. Waren das Hände?

War das einer dieser verruchten Gärtner, hatten sie mich gerettet?

Ich schaukelte sanft in meiner „Höhle“ und hatte das Gefühl, über die Erde zu fliegen. Was war los, wo ging es hin? Licht und Schatten begleiteten meinen Weg. Die Vibration entfernte sich, und mein kleines Herz schlug nicht mehr ganz so schnell. Nach einer Ewigkeit öffnete sich die „Höhle“, ich wurde abgesetzt und spürte wieder Erde unter mir.

Text: Corinna Schröder
Grafik: Christine Brandt

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