Sabine Kofahl, 23. Januar 2023

Vorbildlich ausgeglichen oder etwa doch nicht?

Machen Sie doch mal Ihren Sonntagsspaziergang zum Kiwittsmoor:  

Zu Fuß oder per Rad durch das Diekmoor, weiter zwischen U-Bahnlinie und Naturbad zur Station Kiwittsmoor (U1). Oder Sie fahren mit der U-Bahn eine Station von Langenhorn-Nord zum Kiwittsmoor und besichtigen dort die Baustelle, die schräg gegenüber des Bahnhofs beginnt und bis zum Tweeltenmoor reicht. 

Bebauung im Kiwittsmoor, Oktober 2022, Foto Sabine Kofal 

Hier werden 268 Wohnungen, drei Tiefgaragen und eine Kita gebaut. Bis vor kurzem standen auf dem Areal Wohnhäuser des Schröderstifts und wer jetzt annimmt, Bauherr ist erneut die mildtätige Stiftung, wird von einem freundlichen Anwohner gern korrigiert: Die Stiftung hat das Grundstück abgegeben, im Gegenzug wurden die renovierungsbedürftigen Wohnungen durch Neubauten im parkseitigen Bereich ersetzt. 

Jetzt entstehen also 268 zusätzliche Wohnungen, gebaut, vermietet und verwaltet durch die FEWA Immobilien. 

Diese Baustelle ist ein gutes Beispiel für die geplante Bebauung des Landschaftsschutzgebietes Diekmoor, eineinhalb Kilometer südlich. 

Im Kiwittsmoor werden 268 Wohnungen gebaut – im Diekmoor mehr als zweieinhalb Mal so viele, genau: 261 Prozent mehr. Welche gigantischen Ausmaße diese Menge an Häusern haben wird, lässt sich ansatzweise im Kiwittsmoor erahnen.  

Wenn der Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung der Stadt Hamburg im Februar 2021 über die Diekmoorpläne von einer „sensible(n) Einbindung in den Landschaftsraum des Diekmoorgeländesspricht, stellt sich die Frage, was diese Leute anrichten, wenn sie unsensibel sind. 

Der Landesbetrieb möchte ein „autoarmes Quartier. Die Erschließung des Plangebietes (soll die…) Nutzung des Umweltverbunds fördern.“  

Einfach ausgedrückt: Die Leute sollen U-Bahn fahren, die hält schließlich vor der Tür. 

Die FEWA scheint da skeptischer zu sein. Trotz U-Bahn vor der Tür baut sie drei Tiefgaragen – und das vermutlich nicht freiwillig, sondern aufgrund behördlicher Vorgaben. Das geht im Diekmoor nicht – die geplanten Häuser werden im Wasser stehen, Kellerbauten sind nicht möglich. Also wird kosmetisch elegant übergepinselt: „Zielsetzung ist ein städtebaulich, landschaftsplanerisch und architektonisch vorbildliches Quartier zu entwickeln, das auch aktuelle sowie zukünftige Anforderungen an Klimaschutz, Klimaanpassung und Nachhaltigkeit erfüllt.“  

…und dessen Bewohner*innen alle U-Bahn fahren…  

Wer an dem vorbildlich nachhaltigen Verhalten realer Menschen zweifelt, sollte den zusätzlichen Parkplatzbedarf für 700 Haushalte am Diekmoor gleich zum Flächenverbrauch hinzurechnen. 

„Alte“ Bebauung im Kiwittsmoor Foto Googlemaps 

Zum Ausgleich der Versiegelung im Kiwittsmoor äußert man sich behördlicherseits in der „Begründung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Langenhorn 80 – Kiwittsmoor“ folgendermaßen: 

„Mit der Schaffung und Gestaltung von neuen strukturreichen Hecken und Feldgehölzen auf einer rund 7.000 m² großen Kompensationsfläche bei Itzstedt/ Nienwohld, Kreis Segeberg, werden die ökologischen Funktionen der Brutvögel, speziell Gartenrotschwanz und Grauschnäpper, und gleichzeitig aller anderen Gehölzvogelarten erhalten.“ (S.26) 

Nun werden im Kiwittsmoor 34.300 qm zugebaut, zieht man die Stiftswohnungen ab, die bereits dort waren (wenn auch an anderer Stelle), bleiben immerhin 18.300 qm neu versiegelte Fläche. Warum 7.000 qm reichen, um diesen Verlust auszugleichen, erschließt sich wohl nur dem zuständigen Fachpersonal. Sicherlich wird auch das zuständige Fachpersonal den betroffenen Brut- und allen anderen sonstigen Gehölzvogelarten in das 22 Kilometer entfernte Ausgleichsgebiet bei Itzstedt vorausfliegen und Ihnen zeigen, wo sie zukünftig leben können, wenn die Feld- und Heckengehölze geschaffen und gestaltet sind. 

Für die geplante Bebauung des Diekmoores müssen laut Landesbetrieb „nach bisherigen grob überschlägigen Schätzungen (…) Ausgleichsflächen in einer Größenordnung von ca. 8 ha gefunden werden (…).“  

Bislang hat man noch nicht einmal das geschafft. Dabei sind 8 Hektar Ausgleich für 16 Hektar Versiegelung ein echtes Schnäppchen!  

Die haarsträubend absurde Rechnerei über Ausgleiche ist Anlass genug, sich über dieses System ein paar grundsätzliche Gedanken zu machen – vielleicht auf dem Nachhauseweg? 

Wenn Sie nach Hause gehen oder radeln, an der U-Bahnlinie entlang zum Neuberger Weg und rechts neben der Feuerwache in das Kleingartengebiet des Diekmoores einbiegen, können Sie vor Ihrem inneren Auge vielleicht ein wenig deutlicher sehen, wovon der grüne Bezirksamtsleiter träumt: Beton ab der Pferdewiese bis weit hinter die U-Bahnstation Langenhorn Nord vom Bahndamm an bis zum Weinberg und zum Bornbach – die grüne Lunge im Hamburger Norden wäre weg. 

 

Kleiner Nachtrag: 

Heute, am 09.12.2022 habe ich zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren einen Grünspecht auf „meiner“ Ecke gesehen – ca. 100 Meter von der Baustelle im Kiwittsmoor entfernt (die Grünspechte stehen übrigens in der Vorwarnliste der Roten Liste). Wo die / der wohl herkam? Offensichtlich hat ihm / ihr noch niemand den Weg nach Itzstedt gezeigt… 

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