Rahmenplanung Diekmoor – Stellungnahmen

Der Verein Für ein grünes Hamburg e.V. hat Anfang des Jahres 2023 den Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Nord und das dortige Bauamt auf eklatante Mängel in der Rahmenplanung für die Bebauung des Diekmoores hingewiesen.

Das Bezirksamt hat geantwortet und sein Verständnis von „Rahmenplanung“ dargelegt, die eine Ergebnisoffenheit bezüglich der Bebauung des Diekmoores weiterhin nicht vorsieht. Die von uns beschriebenen Mängel werden in weiten Teilen ignoriert.

Der Verein hat deshalb erneut dem Bezirksamt geschrieben und nachdrücklich auf die unbearbeiteten Themen verwiesen.


Hamburg, 31.01.2023

Sehr geehrter Herr Boltres!
Sehr geehrter Herr Werner-Boelz!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Vielen Dank für Ihre Antwort vom 16.01.2023 auf unseren Brief vom 9.01.2023.
Den hybriden Unterton Ihres Schreibens haben wir mit Befremden zur Kenntnis genommen.

Dass eine Rahmenplanung „wie der Name dieses Instruments nahelegt, den Rahmen einer möglichen Planung“ (Zitat) klärt, ist uns bekannt und war Anlass unseres Briefes. Ihren Ausführungen zu dem Instrument der Rahmenplanung stimmen wir vollumfänglich zu.

Zitat: „Die Rahmenplanung dient also der Klärung der wesentlichen Rahmenbedingungen für die weiteren Planungsschritte und ganz grundsätzlich auch, ob und unter welchen Bedingungen eine Bebauung prinzipiell möglich ist.“ 

Das bedeutet:
Vor der Suche nach möglichen technischen Lösungen auf der Basis einer gewählten Vorzugsvariante steht zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme aller erkennbaren Hindernisse, die einer Bebauung im Wege stehen.
Insofern haben wir durchaus ein zu Ihrer Auffassung konträres Verständnis von „Rahmenplanung“. Zitat aus Ihrem Schreiben: „Hierzu werden derzeit weitere umfangreiche wasserwirtschaftliche Gutachten erarbeitet, die auf Basis der gewählten Vorzugsvariante der Rahmenplanung die möglichen Lösungen für das Thema der Regenwasserbewirtschaftung klären sollen. (…)  Aus fachlicher Sicht spricht derzeit nichts entgegen, die Planung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Gutachten weiterzuverfolgen.“

Damit ist bereits in der Rahmenplanung keine Ergebnisoffenheit vorgesehen – noch nicht einmal bezüglich der Anzahl der Wohneinheiten. Dies entspricht nicht den Grundsätzen geeigneten, angemessenen und rechtssicheren Verwaltungshandelns.

Die Restriktionen, die in einer sorgfältigen Rahmenplanung aufgelistet werden müssen, sind:

Der „Themenkomplex Wasserwirtschaft“

Die komplexe Wassersituation haben wir in unserem Brief nicht „eingeschätzt“ (wie Sie fälschlicherweise schreiben), sie ist vielmehr in den städtischen Gutachten nachzulesen: Der Bornbach ist mit Schadstoffen und Sauerstoffarmut belastet. Es besteht bereits jetzt aktueller Handlungsbedarf.

Ungeklärt ist u.a., welche Gefahren für das Grundwasser von der ehemaligen Mülldeponie im Umfeld der geplanten Bebauung ausgehen.

Das Diekmoorgelände müsste nach bisherigem Kenntnisstand als sog. Überschwemmungsgebiet ausgewiesen werden. Die zu erwartenden Wassermengen bei Starkregenereignissen finden bei einer Versiegelung des Geländes keine ausreichende Retention.

In diesem Zusammenhang muss die starke Bebauung am zwei Kilometer entfernten Oberlauf des Bornbachs berücksichtigt werden: Im Kiwittsmoor werden derzeit knapp 3,5 Hektar versiegelt, in weiten Teilen ehemals Versickerungsfläche. Das Wasser, das dort bislang aufgenommen wurde, wird zukünftig den Bornbach belasten.

Der „Themenkomplex Tiere und Pflanzen“

In Ihrem Brief stellen Sie in Aussicht, dass „im Hinblick auf die Auswirkung der gewählten Vorzugsvariante (…) auf die vorgefundenen Tierarten sowie die gesetzlich geschützten Biotope (…) eine Bewertung durchgeführt“ wird. Eine solche Bewertung erachten auch wir als dringend notwendig. Darüber hinaus weisen wir erneut darauf hin, dass der von Ihnen vorgelegte Zwischenbericht die Kleingärten überhaupt nicht untersucht, obwohl die überbaut werden sollen.

Befremdlich erscheinen in diesem Zusammenhang Ihre Äußerungen gegenüber der Presse: Die Lebensräume der geschützten Tierarten seien von der Bebauung nicht betroffen, hält das Bezirksamt Nord dagegen, geschützte Biotope sollen sogar aufgewertet werden. (Hamburger Morgenpost, 18.1.2023)

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Die Kleingärten auf den Vereinsgeländen Diekmoor I und Diekmoor II weisen Lebens-, Rückzugs- und Brutgebiete zahlreicher Amphibien, Insekten und Vögel auf. Im Frühjahr ziehen Hunderte Kröten vom U-Bahndamm über den Weg 396 in ihre Sommerquartiere in den Kleingärten im Diekmoor I und Diekmoor II. Mehrfach wurden die Gutachter der Stadt in die Gärten eingeladen, offenbar bestand kein Interesse Ihrerseits.

Zudem erfüllt das Diekmoor mit seiner Nachbarschaft zu Raakmoor, Rothsteinsmoor, Kiwittsmoor und Feldmark eine sog. Trittsteinfunktion.

Eine „Aufwertung der Biotope“ im Diekmoor seitens des Bezirksamtes würden wir sehr begrüßen. Ob die allerdings im Rahmen einer massiven Bebauung realisiert werden kann, bleibt zu prüfen.

Das Diekmoor als Teil der Hamburger Kaltluftschneise

… lässt sich in einem Bebauungsplanverfahren nicht isoliert betrachten. Für die Kaltluftentstehung und -zufuhr der Stadt Hamburg sind die Grünflächen von besonderer Bedeutung, insbesondere, wenn sie Kaltluft produzieren und in den Kaltluftschneisen liegen. Beides trifft für das Diekmoor zu. Angesichts der Bemühungen, Hamburg klimaresilient zu gestalten, ist es völlig unverständlich, warum dieser Aspekt bislang keine Berücksichtigung findet.

In dem Zusammenhang muss auch die Bebauung des Diekmoorweges (Langenhorn 72) überprüft werden. Dort wurde unter dem Stichwort „Schutzgut Klima“ mit dem Diekmoor als Kalt- und Frischluftgebiet argumentiert: „Auch die Grünfläche westlich des Plangebiets wirkt als bioklimatischer Entlastungsraum und Kalt-/Frischluftentstehungsgebiet.“ (Langenhorn 72, Seite 10)

Inwieweit bei einer Bebauung des Diekmoores auch im Diekmoorweg nachgebessert werden muss, ist zu klären.

Ausgleichsflächen

Nach städtischen Angaben müssen bei einer möglichen Bebauung des Diekmoores acht Hektar Ausgleichsfläche zur Verfügung gestellt werden. Sie selbst versichern gegenüber der Presse: Lebensraum, der durch die Überbauung der Kleingärten verloren geht, werde mit anderen Flächen in Hamburg ausgeglichen. (Hamburger Morgenpost, 18.1.2023)

Vor jeder weitergehenden Planung muss geprüft werden, ob und wo das überhaupt möglich ist.

Für die Bebauung im Kiwittsmoor ist eine 0,7 Hektar große Ausgleichsfläche im 22 Kilometer entfernten Itzstedt ausgewiesen worden.

Abschließend einige Anmerkungen zu dem Themenkomplex „Politische Entscheidungen“: Die späte Veröffentlichung der Gutachten begründete Ihr Haus gegenüber der Presse: Die Studien seien erst nach der öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Herbst veröffentlicht worden, weil sie vorher noch geprüft wurden, räumt das Bezirksamt ein. Sie seien jedoch während der Online-Beteiligung einsehbar gewesen. Zudem laufe die Bürgerbeteiligung auch im künftigen Planverlauf weiter. (Hamburger Morgenpost, 18.1.2023)

Warum werden Gutachten, die ungeprüft sind, einer ausgewählten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt?

Wenn die Kapazitäten des Bezirksamtes eine zeitnahe Prüfung nicht zulassen, erfordert eine rechtssichere Bürgerbeteiligung eine entsprechende zeitliche Verlängerung derselben.

Sinn der demokratischen Institution „Bürgerbeteiligung“ ist ja gerade, dass die Bürgerinnen und Bürger die Gutachten prüfen, nicht die Verwaltung.

Sie stellen in Ihrem Schreiben in Aussicht, weitere Gutachten öffentlich zugänglich zu machen. Die öffentliche Einsichtnahme kann nur der erste – selbstverständliche – Schritt sein. Erforderlich ist ein Diskurs auch mit der fachlich versierten Öffentlichkeit auf der Grundlage aller noch ausstehenden Ergebnisse. Ein solcher Diskurs wurde Ihrerseits bisher nicht geführt und ist auch nicht in Aussicht gestellt.

Das widerspricht den demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen, denen Verwaltungshandeln unterliegt.

Auf die Gefahr, belehrend zu wirken, da allgemein bekannt: Die Bevölkerung vor Ort wünscht die Bebauung nicht – dort fällt der politische Wille demnach anders aus als im Rathaus. Trotzdem ist die Frage, ob das Diekmoor bebaut wird oder nicht, bei weitem nicht nur eine politische angesichts der umfassenden Restriktionen an diesem Ort, deshalb fordern wir nochmals nachdrücklich:

  • Vollständige Offenlegung der sich aus den Studien Regenwasser und Fauna und Biotoptypen und aus anderen Studien / Gutachten (z.B. Moore in Hamburg, Bedeutung der Kaltluftschneisen Hamburgs, Untersuchung / Bewertung Altablagerung und ehemalige Kläranlage Diekmoor) ergebenen Problematiken und deren Konsequenzen gegenüber Politik und der Öffentlichkeit. Ein Ende der Rahmenplanung kann erst nach Abschluss dieses Prozesses angestrebt werden
  • Eine tatsächlich ergebnisoffene Beteiligung der umfassend informierten Öffentlichkeit an der Rahmenplanung für das Diekmoor. Das bedeutet auch die Rücknahme der Senatsweisung
  • Berücksichtigung und umfassende Bewertung aller bisherigen Untersuchungsergebnisse und der Bürgerbeteiligung

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Kofahl | Christine Brandt | Günther Bassel

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