4. Offener Brief des Vereins „Für ein grünes Hamburg e.V.“ an das Bezirksamt HH-Nord und die BUKEA, 15.11.2023

Wissen kann die Welt verändern – muss aber nicht

Foto: Rettet das Diekmoor!

Der Verein Für ein grünes Hamburg e.V. hat sich zum vierten Mal in einem Offenen Brief an das Bezirksamt Hamburg-Nord gewendet, um erneut auf erhebliche Mängel hinzuweisen, die weit über die Bauplanung für das Diekmoor hinausgehen. Schwerpunkt des jüngsten Schreibens sind die fehlenden Konsequenzen aus der Analyse des Stadtklimas 2017 – eine Unterlassung, die ganz Hamburg betrifft.

Seit 2011 werden im Rahmen des sog. „Bündnis für Wohnen“, massiv Grünflächen versiegelt. Die Folgen für das Klima sollten in zwei Gutachten 2012 und 2017 untersucht werden. Der Verein Für ein grünes Hamburg e.V. hat im Rahmen seiner Möglichkeiten die Gutachten geprüft und kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Hamburg erwärmt sich infolge der Bebauung erheblich
  • Die für das Stadtklima entscheidenden kühlenden Luftströmungen verlieren durch die Bebauung deutlich an Geschwindigkeit und Umfang.

Die Veränderungen der klimatischen Situation in Hamburg infolge des Bauens auf Grün- und Freiflächen werden allerdings in keinem der beiden Gutachten thematisiert. Die Ergebnisse werden bildlich dargestellt und einer kreativen Bearbeitung unterworfen, die den Vergleich erheblich erschwert.

Erwärmung der Stadt durch das Bauen: Die Temperaturen

Die angewendeten Temperaturskalen beider Gutachten sind unterschiedlich und verschleiern die Erwärmung Hamburgs infolge der massiven Bautätigkeit. Die eingefärbten Blau-Werte enden 2012 bei 17 Grad, während die Blaufärbung 2017 bis in den Bereich 20 Grad reicht. Selbst tropische Nächte erscheinen 2017 blau und suggerieren angenehme Kühle.

Legt man die Skala aus 2012 zugrunde, verändert sich das Bild. Mit einer Korrektur der Skalierung lassen sich die Messergebnisse auf den ersten Blick vergleichen. Für Hamburg wird bei dieser (von uns vorgenommenen) Korrektur auf Anhieb sichtbar, dass die ausgeführten und geplanten Bebauungen die Stadt einer deutlich erhöhten Wärmebelastung aussetzen:

Erwärmung der Stadt durch das Bauen: Der Wind

Das Gutachten 2017 zeigt korrekt: Die Geschwindigkeit der kühlenden Winde geht infolge der Bebauung erheblich zurück.

Die Verlangsamung der Winde bedeutet auch ein Verlust ihres in die Stadt eingetragenen Volumens – weniger Wind bedeutet weniger Kaltluft. Betrachtet man die Darstellung des Volumens der kühlenden Luftströme genauer, lässt sich im Gutachten 2017 im Vergleich zu 2012 erneut eine eklatante Verschiebung der Maßeinheiten feststellen:

Galt 2012 ein Volumen von 4.000 und mehr Kubikmetern pro Sekunde als „Sehr hoch“, sind es 2017 nur noch 940 Kubikmeter pro Sekunde. 2012 wurde demnach ein mehr als vierfach höheres Kaltluftvolumen als „Sehr hoch“ eingestuft als fünf Jahre später.

Eine vergleichbare Neudefinition in der Humanmedizin würde das Fieber nicht mehr bei 38 Grad ansetzen, sondern bei 162 Grad.

Auf der Basis der Skalierung von 2012 werden die Ergebnisse von 2012 und 2017 vergleichbar. Korrigiert man die Skalierung entsprechend, wird für das Hamburger Stadtgebiet infolge der Bebauung eine erschreckende Verminderung der kühlenden Luftvolumina ersichtlich:

Bereits Im Gutachten 2012 wurde zum Erhalt der klimatisch wichtigen Grünflächen aufgefordert. Spätestens seit 2017 kennt die Stadt die klimaökologischen Schäden der Flächenversiegelung. Dennoch werden bis heute die als besonders wirksam erkannten Frischluft- und Kaltluft(entstehungs)zonen der Bebauung preisgegeben. Die vermeintlichen „Klimaschutzmaßnahmen“, die sich regelmäßig in Hamburger Bauplanungen wiederfinden (z.B. die Verwendung heller Baumaterialen oder die Dach- und Fassadenbegrünung) sind unwirksam. Trotzdem werden seit 2011 mit diesen „Bautipps“ hamburgweit Grünflächen versiegelt.

Es liegt im gesamtstädtischen Interesse, Hamburgs Klimaresilienz zu stärken und sämtliche schädlichen Auswirkungen auf das Stadtklima zu vermeiden. Dafür müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die noch bestehenden Kaltluftströme zu erhalten.

Stattdessen soll u.a. mit dem Diekmoor ein wesentlicher Teil einer hoch wirksamen Hamburger Kaltluftschneise und ein Kaltluftentstehungsgebiet versiegelt werden. Die derzeit möglichen Konsequenzen für umliegende Areale und das gesamte Stadtgebiet finden keine Berücksichtigung.

Das vollständige Schreiben an das Bezirksamt Hamburg-Nord mit den Ergebnissen der Gutachten zum Hamburger Stadtklima und der Forderung, die geplanten Ausschreibungsaktivitäten für das Diekmoor auszusetzen, steht weiter unten als Download zur Verfügung.

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